Auch wenn Angst sich evolutionstechnisch durchaus bewährt hat und zur genetisch fest programmierten Überlebensstrategie gehört, kann sie uns im Alltag stark belasten und erheblichen Einfluss auf unser Essverhalten nehmen.
Die Verbindung zwischen Psyche und Ernährung ist bekannterweise sehr eng, und Angst oder gar Angstzustände können sowohl das Hungergefühl an sich, als auch die Auswahl und Menge der konsumierten Lebensmittel beeinflussen.
Appetitverlust (Hypophagie)
Bei Angst wird das "sympathische Nervensystem" aktiviert („Kampf-oder-Flucht-Modus“), was die Verdauung verlangsamt und den Appetit hemmt. Der Körper ist darauf programmiert, Energie für die Bewältigung der wahrgenommenen Bedrohung bereitzustellen, anstatt sie in die Nahrungsaufnahme zu investieren. Das Ergebnis: Menschen mit Angstzuständen essen entweder weniger oder im schlimmsten Falle gar nicht, was zu Nährstoffmangel, Gewichtsverlust und einem geschwächten Immunsystem führen kann.
Essen als Bewältigungsstrategie (Hyperphagie)
Aber Angst kann auch genau das Gegenteil bewirken. Der Griff in den Kühlschrank wird oft zum Bewältigungsmechanismus, um den psychischen Stress zu reduzieren. Lebensmittel, die reich an Zucker, Fett oder Salz sind, stimulieren das Belohnungssystem im Gehirn, was kurzfristig beruhigend wirkt. Übermäßiger Konsum, besonders von ungesunden Snacks, führt dabei unweigerlich zu Gewichtszunahme, möglichen Verdauungsproblemen und in der Folge davon oft zu einem negativen Selbstbild, was wiederum die Angst, in Abhängigkeit zu ihrer Ursache, verstärken kann – ein Teufelskreis.
Die Auswahl von eher ungesunden Lebensmitteln ist dabei nicht zufällig. Angst erhöht oft das Verlangen nach „Komfortnahrung“ wie Schokolade, Chips oder anderen stark verarbeiteten Lebensmitteln, die schnelle Energie liefern. Gleichzeitig können gesunde Lebensmittel wie Obst, Gemüse oder Vollkornprodukte weniger ansprechend wirken, da diese für unser Suchtzentrum, immer bedacht auf unser empfundenes "Wohlgefühl", eher uninteressant sind.
Magen-Darm-Beschwerden und Essstörungen
Angst kann über das sogenannte „Bauchhirn“ den Magen-Darm-Trakt beeinträchtigen. Symptome wie Übelkeit, Durchfall oder Bauchschmerzen sind oft feste und ständige Begleiter von Angst und Angstzuständen. Worin diese Angst begründet ist, spielt dabei kaum eine Rolle.
Essensvermeidung (Orthorexie oder selektives Essen)
Angst, was auch immer ihr Ursprung sein mag, führt oft zu "generellen" und "ungesunden" Angstzuständen, die sich auf andere Bereiche des Lebens übertragen, da Angst zu einer Art Grundhaltung im Umgang mit unserer Umwelt werden kann, wenn sie zu lange anhält. Wir werden generell "ängstlich". So kann Angst sogar zu einem überkritischen Verhältnis zu bestimmten Lebensmitteln führen. Nicht wenige Menschen entwickeln Ängste vor „ungesundem“ Essen oder vermeiden aus Angst vor Verdauungsproblemen bestimmte Nahrungsmittelgruppen. Einschränkungen in der Ernährung können jedoch nicht nur dem Körper schaden, sondern im Extremfall sogar zu sozialer Isolation führen und ein tiefgreifend ungesundes Verhalten zum Thema Essen ausbilden.
Chronische Angstzustände können sich dabei langfristig zu klinischen Essstörungen entwickeln, wie z. B. Binge-Eating-Störung, Anorexie oder Bulimie. Hierbei spielen Angst und ein negatives Selbstbild oft die zentrale Rolle schlechthin. Diese Erkrankungen erfordern dann auf jeden Fall professionelle Unterstützung, da sie erhebliche körperliche und psychische Folgen haben können.
Was kann helfen?
Essen Sie bewusst langsam. Nehmen Sie Geschmack und Textur wahr – das hilft, die Verbindung zwischen Emotionen und Essen zu durchbrechen. Regelmäßige Mahlzeiten können helfen, das Hungergefühl zu regulieren und ein Gefühl von Routine zu schaffen. Und Routine schafft Sicherheit! Vollwertige Alternativen wie Nüsse, Obst oder Gemüse können das Verlangen nach ungesunden Snacks verringern - jedoch nur, wenn sie wirklich griffbereit sind. Selbstverständlich können auch Atemübungen, Meditation und Bewegung Stress und Angst abbauen helfen.
Wichtig: Wenn Angst Ihr Leben und Ihr Essverhalten so stark beeinflusst, dass Sie alleine keinen Ausweg mehr finden, ist es wichtig, sich unbedingt Unterstützung bei einem Therapeuten / einer Therapeutin zu suchen! Wie in vielen Bereichen gilt: keine falsche Scham, bitte. Sich bei Bedarf professionelle Unterstützung zu holen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Stärke und Selbstliebe. Auch das Öffnen gegenüber Freunden und Familie kann wichtige Entlastung bieten und ein erster Schritt sein, wieder aus dem Schatten der Angst hervorzutreten.
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